Altstadtgasse Sursee
2021 bis 2024 (v.1734/1934)
- Auftraggeber:
- DGM Immobilien AG, Kerns
- Beschaffung:
- Direktauftrag
- Schutzstatus:
- schützenswert
- Begleitung:
- Marcus Casutt, Kantonale Denkmalpflege
- Bauleitung:
- Marc Eggimann, Sarnen
- Fachplaner:
- Lauber Ingenieure, Luzern
Baugeschichte | Das Haus an der Altstadtgasse 3 wurde nach dem Stadtbrand von 1735 neu errichtet. Es bestand damals aus einem einfachen Gebäudekörper mit Satteldach und einem dahinter liegenden Stall. Es wird vermutet, dass hier die Pferde während dem Markt untergestellt wurden. Die naheliegende Rosstränke an der Sure könnte ein Hinweis darauf sein.
Bis zum Neubau des angrenzenden Gebäudes auf der Parzelle 178 an der Altstatdgasse 1 grenzte ein Garten mit Umfassungsmauern an den Hauptbau der Altstadtgasse 3. Gegen Ende des Jahres 1932 bis Frühling 1934 erfuhr die Liegenschaft einen grösseren Umbau welcher auch in die Struktur eingriff. Das Hauptgebäude wies damals auf der Westseite einen halbgeschossig versetzten Anbau auf. Dieser wies wie der Hauptbau ein Satteldach auf, welches jedoch quer zum Hauptdach stand. Mit dem Umbau wurden diese beiden Gebäudeteile zu einem Gebäude zusammen gefasst und mit einem neuen Mansarddach überdeckt. Der halbegschossige Versatz ist im Innenraum noch immer vorhanden und erlebbar.
Der Stall wurde abgerissen und statt dessen an gleicher Stelle, leicht zurückversetzt, ein Wohngebäude gebaut. Vermutlich wurde damals zum ersten Mal eine Verbindung zwischen den beiden Volumen geschaffen. Heute präsentieren sich die beiden Gebäudeteile im Innenraum geschossweise als durchlaufende Wohneinheiten. Die Trennung ist jedoch anhand der Mauerdicke und des Niveauversatzes klar erkennbar.
Im Erdgeschoss des Zwischenbaus wurde hinter den grossen Holztoren ein kleiner Stallbereich beibehalten. Dieser diente der neugebauten Metzgerei im Erdgeschoss des Hauptgebäudes zur Haltung der Schweine. Mit dem Um- und Neubau wurde der Zwischenbau teilweise unterkellert.
Struktur | Beide Gebäudeteile sind in einer Massivbauweise errichtet. Der Zwischenbau wurde mit damals üblichen Hourdisdecken gebaut. Diese liegen auf Stahlträgern auf und wurden mit einem Überbeton ausgesteift. Auch beim Hauptgebäude wurde in die Struktur eingegriffen. Ein Teil der Holzbalken wurden durch Stahlträger ersetzt, welche heute die primäre Tragstruktur bilden. Die dazwischen gespannten Holzbalken tragen einen Holzboden aus massiven Fichtenriemen.
Das markante Mansarddach wurde neu errichtet. Damit wurden alle Spuren des alten Satteldachs entfernt. Heute findet man nur noch eine alte Brandmauer im Erdgeschoss welche die ursprünglichen Aussenmauern des Hauptgebäudes von 1735 anzeigen. Jedoch wurde auch diese zur Erstellung von Kühlräumen teilweise durchbrochen.
Konzept | Das Gebäude prägt mit seiner vorspringenden Lage und dem markanten Dach den Gassenraum der Altstadtgasse. Die Fassade wirkt sehr ruhig und wohl proportioniert. Der Zwischenbau springt leicht zurück, wodurch das fast quadratische Hauptgebäude als eigenständiges Gebäude gelesen werden kann. Diese klare Unterteilung in Hauptgebäude und Zwischenbau fehlt heute im Innern des Gebäudes. Die Wohnungen erstrecken sich geschossweise über beide Gebäudeteile. Diese Verwebung soll wieder aufgelöst werden. In einem ersten Schritt wird deshalb das Hauptgebäude vom Zwischenbau abgetrennt.
Der Innenausbau weist im Zwischenbau weniger erhaltenswerte Oberflächen auf. Man kann deshalb von einem wichtigeren Hauptgebäude und einem untergeordneten Zwischenbau sprechen. Dies spiegelt auch die ursprüngliche Bedeutung von Wohnhaus und Stall.
Eingriffe Hauptgebäude | Das Haus wird nach denkmalpflegerischen Aspekten restauriert und mit so wenig Eingriffen wie möglich den heutigen Wohnansprüchen angepasst.
Im Erdgeschoss bleibt die Gewerbenutzung bestehen. Nebst dem Laden im Hauptgebäude entsteht im Zwischenbau ein kleines Büro. So behält das Gebäude seinen öffentlichen Charakter und belebt damit die Altstadtgasse. Darüber bleiben wie bereits vorhanden die drei Wohngeschosse bestehen. In den Wohnungen sind mit wenigen Ausnahmen die Oberflächen aus dem Jahre 1934 noch komplett erhalten.
Die Türen, Fenster und Vorfenster stammen ebenfalls aus dieser Zeit und bilden zusammen mit den restlichen Oberflächen ein erhaltenswertes Ensemble. Zusammen mit der Bauherrschaft wurde ein Grundriss entwickelt, welcher eine moderne Wohnnutzung zulässt, die alte Raumstruktur jedoch respektiert. So werden keine Zwischenwände und damit auch keine Oberflächen zerstört. Ein Fensterersatz oder eine zusätzliche Dämmschicht im Innenraum würde den Erhalt der Oberflächen nahezu verunmöglichen. Der Estrichboden über dem Dachgeschoss kann gedämmt werden. Das Dach kann so in seinem Ausdruck bestehen bleiben und der Wärmeverlust über das Dach wird verkleinert.
Um den Vorgaben des Brandschutzes gerecht zu werden, müssen die Geschossdecken ertüchtigt werden. Die momentan vorhandenen Fichtenböden haben unter den nachträglich aufgetragenen Teppich- und Linoleumschichten gelitten. Soweit möglich werden die Bodenbeläge nach dem Umbau wieder eingebaut und aufgefrischt. Falls nötig mit neuen, gleichwertigen Bodenbelägen ersetzt. Dies immer mit dem Grundsatz: «Gleiches durch Gleiches ersetzen.» Nur das ehemalige Wohnzimmer der Familie Künzli im 1.OG weist einen hochwertigeren Fischgratparkett auf. Dieser wird nach der Sanierung wieder verlegt. Auch das bestehende Treppenhaus bleibt erhalten. Zusammen mit der kantonalen Brandschutzbehörde wird dafür nach Lösungen gesucht.
Eingriffe Zwischenbau | Der Zwischenbau weist im Innern keine erhaltenswerten Oberflächen auf – einzig einige Türen und Einbauten, welche wenn möglich wiederverwendet werden. Der Zwischenbau hatte durch seine Nutzung als Stall immer auch eine andere Raumtypologie als das Hauptgebäude. Die momentanen Raumtrennwände bestehen aus 5cm dicken Holzspanplatten. Das Hauptgebäude funktionierte Geschossweise, also horizontal, der Zwischenbau dagegen vertikal. Stall und darüberliegendes Heulager gehörten zusammen. Diesem Umstand wird man mit dem Erstellen von vertikalen Wohnungen wieder gerecht. Die beiden Wohnungen werden über das Sockelgeschoss erschlossen und reichen jeweils über die beiden Wohngeschosse darüber. Mit dem Ausgang auf die bestehende Dachterrasse entstehen Kleinwohnungen die sich über vier Geschosse erstrecken und so der Typologie von kleinen, vertikal organiserten Altstadtwohnungen gerecht werden. So wähnt man sich trotz neueren Oberflächen nicht in einer modernen Wohnung irgendwo in einer Aglomeration, sondern in der Altstadt von Sursee.
Fassade | Die Fassade wird nicht verändert – sie wird lediglich im alten Farbton neu gestrichen und aufgefrischt. Die Fenster und Fensterläden werden neu gestrichen und bleiben so ebenfalls erhalten. Einzig auf der Westseite finden sich ein paar Fensterläden welche witterungsbedingt ersetzt werden müssen. Dies geschieht wieder in gleicher Form und Farbe. Die Fenster mit ihren Vorfenstern gliedern die Fassade und sind sehr wichtig für das Erscheinungsbild des Gebäudes. Jeder Fensterersatz würde das Bild nachhaltig verändern. Die heute angewandten Fensterprofile verfügen nicht mehr über die Filigranität der bestehenden Fenster und machen die Vorfenster überflüssig. Damit dieses Bild erhalten bleibt, dürfen die Fenster nicht ersetzt werden. Die Vorfenster werden neu fest montiert und bilden zuammen mit dem inneren Fenster ein Kastenfenster welches energetisch mit einer neuen Verglasung eines Einfachfensters vergleichbar ist. Die Aussenwände sind innen bereits minimal gedämmt.
Um das Gebäude energetisch weiter zu ertüchtigen wird die bestehende Ölheizung durch eine neue Pelletsheizung ersetzt. So kann mit einem nachwachsenden Rohstoff Wärme erzeugt werden und es werden keine Bohrungen auf dem öffentlichem Grund benötigt.
Bereits heute weist das Gebäude im Sockel viele Eingänge auf. Dies ermöglicht die Erschliessung der verschiedenen Wohnungen ohne dabei eine zusätzliche Öffnung zu schaffen. Einzig der bestehende Schopf aus Kunststoffplatten auf dem Dach des Zwischenbaus wird durch einen neuen Treppenaufgang ersetzt. So haben beide Wohnungen im Zwischenbau die Möglichkeit auf die Dachterrasse zu gelangen. Damit kann auf zusätzliche Aussenräume an der Fassade verzichtet werden.
Wärmetechnische Sanierung | Das Gebäude wird soweit möglich energetisch saniert. Zusammen mit der kantonalen Denkmalpflege wurde nach einer angemessenen Lösung gesucht.
Wie bereits erwähnt wird die Wärmeerzeugung ausgewechselt und auf den heutigen Stand gebracht. Das Steildach des Hauptgebäudes wird innen soweit gedämmt, dass es den heutigen Vorgaben entspricht. Das Flachdach über dem Zwischenbau wird komplett neu errichtet. Eine statische und wärmetechnische Sanierung ist hier nicht angemessen. So kann auch dieses Bauteil entsprechend gedämmt werden. Die beiden Böden im Erdgeschoss gegen das Erdreich resp. den Keller werden ebenfalls neu gedämmt, soweit nicht in die statische Struktur des Gebäudes eingeriffen werden muss. Die Oberkante des Bodenbelags ist an die Eingangshöhen gebunden, die Unterkante an die bestehende Bodenplatte, resp. Kellerdecke.
Die Fassade des Zwischenbaus gegen das Nachbarsgebäude kann innen gedämmt werden. Sie beinhaltet keine historischen Oberflächen oder Fenster.
Sämtliche Fassaden der beiden Gebäudeteile wurden 1934 im inneren bereits minimal mit einer Heraklitplatte gedämmt. Die Fassaden können weder innen noch aussen zusätzlich gedämmt werden. Eine Aufdopplung im Aussenbereich würde neue Fensterfutter und somit auch neue Festerläden bedingen. Die Steinverkleidung im Erdgeschoss und die Übergänge zum Dach und den Balkonen müssten ebenfalls neu gebaut werden. Im Innenbereich müssten alle Verkleidungen entfernt und die jetzt bündigen Fensterrahmen aufgedoppelt werden. Eine zusätzliche Wärmedämmung innen oder aussen bedingt einen grossen Verlust von historischer Baustubstanz.
Prozess | Die Baugeschichte des Gebäudes an der Altstadtgasse ist mit Plänen und Bauabrechungen gut dokumentiert. Im Sommer 2021 fand zusammen mit Marcus Casutt (Denkmalpfleger Kanton Luzern) und Siegfried Möri (Bauhistoriker) eine Begehung vor Ort statt. Auf Grund der geplanten sehr geringen Eingriffstiefe einigte man sich darauf, dass eine bauhistorische Analyse nicht nötig sei – sofern sich die Sanierung am letzten Umbau aus dem Jahre 1934 orientiert.
Da bisher nur ein kleiner Teil der bauhistorischen Struktur mit Hilfe von Sondagen eingesehen werden konnte, ist die Baueingabe als aktueller Stand des Umbauprozesses zu verstehen. Die Baumassnahmen werden bis zu ihrem Abschluss durch die Denkmalpflege begleitet. Allfällige Änderungen werden mit der Denkmalpflege besprochen und vorgängig bewilligt.